Strophanthin (Strophanthus gratus) –
Natürliches Kraftpaket für Herz und Kreislauf
Herzlich willkommen zu diesem Beitrag über Strophanthin, den herzwirksamen Glykosid-Inhaltsstoff aus der afrikanischen Kletterpflanze Strophanthus gratus [4][5]. Einst galt Strophanthin als bedeutendes Herzmittel, geriet jedoch über die Zeit in Vergessenheit und wird heute kontrovers diskutiert. Erfahren Sie, warum die Samen dieser Pflanze sowohl als Jagd-Pfeilgift als auch als Herzglykosid dienten, wie Strophanthin wirkt und weshalb es heutzutage nur noch in der Komplementärmedizin eine Rolle spielt.
Strophanthus gratus ist eine verholzende Liane aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae) [5]. In ihrer afrikanischen Heimat kann sie bis zu 25 m hoch ranken und trägt auffällige, weiß-rosa Blüten mit charakteristisch gedrehten Zipfeln. Die Samen sind gelb-braun und enthalten das herzwirksame g-Strophanthin, auch Ouabain genannt [2].
Ursprünglich beheimatet in West- und Zentralafrika, wurde diese Pflanze teils auch in Asien oder der Karibik angepflanzt – meist wegen ihrer hübschen Blüten. In der Lokalbevölkerung Westafrikas dienten zerriebene Samen traditionell als Pfeilgift zur Jagd. Neben der giftigen Wirkung, die Herzlähmung auslöst, schätzten Volksmediziner Strophanthus-Extrakte in winzigen Dosen als Herzmittel.
Der wichtigste Wirkstoff ist das herzwirksame Glykosid g-Strophanthin (Ouabain). Daneben finden sich weitere Steroidglykoside (Cardenolide), die jedoch pharmakologisch weniger bedeutsam sind [2][3].
Interessanterweise finden sich ouabain-ähnliche Substanzen auch im tierischen oder menschlichen Organismus, was auf eine mögliche Rolle als natürliches Hormon hinweist. Dieser Ansatz ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt [10].
Strophanthin (Ouabain) wird zu den kardioaktiven Steroidglykosiden gezählt, die wie Digitalis an die Na⁺/K⁺-ATPase binden. In therapeutischer Dosierung steigert es die Schlagkraft des Herzens (positiv inotrop) und verlangsamt den Puls (negativ chronotrop) [1][3].
Anders als Digoxin entfaltet g-Strophanthin seine Wirkung äußerst schnell – intravenös innerhalb von Minuten. Die Wirkdauer ist allerdings begrenzt, nach wenigen Stunden klingt sie ab [4]. Dies war historisch attraktiv für die Akutbehandlung einer plötzlichen Herzschwäche. Heute verwendet man jedoch meist modernere Inotropika (z.B. Dobutamin).
Obwohl beide an derselben Herz-Pumpe (Na⁺/K⁺-ATPase) angreifen, zeigen sich Unterschiede in Kinetik und Anwendungsprofil. Oral wird Strophanthin relativ schlecht resorbiert, weshalb hohe Dosen erforderlich sind. Es kumuliert kaum im Körper und könnte laut einigen Forschern besser verträglich sein [7]. Moderne Kardiologie bevorzugt jedoch Digoxin, weil dessen Wirksamkeit und Dosierung einfacher zu handhaben sind.
Die Samen von Strophanthus gratus dienten in Westafrika als Pfeilgift, das Großwild rasch töten konnte [6]. Ab dem 19. Jahrhundert weckte dies das Interesse europäischer Forscher: Erste medizinische Extrakte kamen um 1885 auf den Markt. Ein halbes Jahrhundert lang war Strophanthin ein anerkanntes Herzmittel, wurde aber zunehmend von Digitoxin und anderen Wirkstoffen verdrängt [14].
In Deutschland sorgte der Internist Berthold Kern in den 1960er Jahren für eine Renaissance: Er nutzte orales Strophanthin zur Infarktprävention, stieß jedoch auf heftigen Widerstand der schulmedizinischen Fachgesellschaften [2][13]. Der Konflikt endete damit, dass Strophanthin aus den Leitlinien verschwand und heute praktisch nicht mehr verordnet wird.
Aus schulmedizinischer Sicht gilt Strophanthin als obsolet. Weder für Herzinsuffizienz noch für koronare Herzkrankheit ist es aktuell empfohlen, da etablierte Therapien (z.B. ACE-Hemmer, Betablocker, Digoxin) zuverlässiger sind. Befürworter in der Komplementärmedizin betonen hingegen, dass orales Strophanthin bei richtiger Dosierung angina-lindernd und nahezu nebenwirkungsfrei sei [3][7].
Mangels neuer Großstudien bleibt die Evidenzlage schwach. Etliche ältere Untersuchungen berichten zwar positive Effekte bei Angina Pectoris, doch gelten sie methodisch als unzureichend. Somit führt Strophanthin heute ein Nischendasein; einige Ärzte verordnen es als Magistralrezeptur, die meisten Kardiologen lehnen es ab.
Historisch gab es Strophanthin-Injektionslösungen zur intravenösen Akuttherapie bei Herzschwäche, mit raschem Wirkungseintritt [2][4]. Heute sind solche Fertigarzneien in Deutschland nicht mehr zugelassen. Orale Präparate (z.B. Kapseln mit 3–6 mg g-Strophanthin) waren bis 2012 erhältlich, verschwanden aber mangels Nachzulassung vom Markt [2].
Typische Kontraindikationen umfassen hochgradige AV-Blockaden, ausgeprägte Bradykardie und bekannte Überempfindlichkeit gegen Herzglykoside. Kritische Wechselwirkungen bestehen mit Kaliumhaushalt-verändernden Medikamenten, Calcium-Zufuhr und anderen Antiarrhythmika [11].
Die meisten aktuellen kardiologischen Leitlinien führen Strophanthin nicht mehr auf. Ältere Studien (1930–1970) berichteten jedoch von positiven Effekten bei Angina Pectoris und Herzinsuffizienz, etwa verbesserte Belastungstoleranz [9]. Neuere Placebo-kontrollierte Untersuchungen fehlen. Experimentell gibt es Hinweise auf gefäßschützende Mechanismen und sogar endogenes Ouabain als mögliches Blutdruckhormon [10].
Diese Diskrepanz führt zu einer anhaltenden Kontroverse: Befürworter sehen Strophanthin als unterschätztes Mittel für Herz und Gefäße; Gegner halten es für veraltet und argumentieren, dass Studien mit aktuellen Standards fehlen [2][7]. Faktisch findet Strophanthin nur noch in komplementärmedizinischen Kreisen Anwendung.
Strophanthin (Ouabain) aus Strophanthus gratus ist ein außergewöhnliches Herzglykosid mit langer Historie: vom afrikanischen Pfeilgift zum einst gefeierten Herzmittel. Während es in der Vergangenheit eine wichtige Rolle bei akuter Herzinsuffizienz und Angina Pectoris spielte, gilt es heute in der Schulmedizin als obsolet. Neue, besser steuerbare Medikamente haben Strophanthin weitgehend verdrängt.
Gleichwohl schätzen manche Ärzte und Patienten Strophanthin noch als komplementäre Option bei koronaren Beschwerden und berichten von gutem Erfolg mit oraler Mikrodosierung. Aus wissenschaftlicher Sicht fehlt es an zeitgemäßen Studien, um diese Berichte eindeutig zu belegen oder zu widerlegen. So bleibt Strophanthin Gegenstand einer spannenden Debatte in der Herzmedizin: Ein altes Herzglykosid, das einst große Hoffnungen weckte und nun vor allem in der Nische als alternatives Mittel fortlebt.
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